Alle Dinge sind aus Wasser entstanden, hat Thales von Milet (um 624-546 v. Chr.) der Überlieferung nach gesagt. Diese Ansicht Thales, der als erster Philosoph gilt, kann aus heutiger Sicht in verschiedene Richtungen verstanden werden. Wasserstoff, der die meisten Atome zum Aufbau des Wassers liefert, wird heute für das chemische Element gehalten, aus dem sich alle übrigen herstellen lassen. Die Behauptung, für alle Materie gäbe es einen Urstoff, ist eine achtbare wissenschaftliche Hypothese. Thales Ansicht für die Bedeutung von Wasser als Ursubstanz fußt vermutlich aber auf seiner Beobachtung des nahegelegenen Ägäismeeres, wie die Sonneneinstrahlung Wasser aus dem Meer verdunstet, sich daraus Wolken bilden, die sich wieder in Form von Regen auflösen. Dieser Kreislauf basiert auf der Tatsache, daß die Substanz Wasser in verschiedenen Zustandsformen (hier flüssig und gasförmig) vorliegt und bei der Phasenumwandlung erhalten bleibt. Die verschiedenen Zustandsformen von Wasser sind wesentlich für die Relevanz des globalen hydrologischen Zyklus auf der Erde. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Beschreibung des Wasserkreislaufs und deutet mögliche Veränderungen des Wasserkreislaufs bei den sich abzeichnenden Klimaveränderungen an.

Wasser liegt im Ozean, der Atmosphäre und an Land vor. Dabei sind rund 97% der Gesamtmenge im Ozean und ca. 2% in den Inlandeismassen auf Grönland und der Antarktis gespeichert (siehe Figur 1). Zwischen den Reservoiren von Wasser gibt es Austauschraten: Niederschlag (P), Verdunstung (E) und Abfluß (R). Figur 1 gibt die globalen Austauschraten für das heutige Klima an. Die Niederschlagsmenge aus der Atmosphäre geht über Land und den Ozeanen nieder. Der Überschuß von Niederschlag minus Verdunstung über den Landflächen bekommen die Ozeane als Abfluß. Über den Ozeanen bilanzieren sich der Abfluß R und Niederschlag P mit der Verdunstungsrate E. Im folgenden werden die wichtigsten Klimakomponenten kurz beschrieben und einige Zusammenhänge erläutert.

Die Atmosphäre hat die höchste Mobilität der Klimakomponenten. Der atmosphärische hydrologische Kreislauf besteht aus dem Transport von gasförmigen Wasserdampf, und die Phasenumwandlungen zu flüssigen und festen Wasserpartikeln in den Wolken. Mit seiner typischen Zeitskala von Tagen bis Monaten schafft der atmosphärische Wasserkreislauf weiterhin die Verbindung zu den langsameren Klimakomponenten Ozean, Eis und Biosphäre. Figur 2 zeigt eine schematische Darstellung des atmosphärischen Feuchtekreislaufs. Bedingt durch die atmosphärische Zirkulation überwiegt Niederschlag die Verdunstung in den Tropen und den Gebieten höherer Breiten, so daß sich dort eine Vegetationsvielfalt entwickeln konnte. In den Subtropen (zentriert etwa bei 30° Nord und Süd) liegen die großen Wüsten der Erde (Sahara, Gobi, Australische Wüste, usw.), da dort der Niederschlag wieder vollständig verdunstet. Über den subtropischen Ozeangebieten hat das Meerwasser deshalb auch einen relativ hohen Oberflächensalzgehalt. Die Atmosphäre zusammen mit ihrer Landoberfläche ist die Klimakomponente, in der die Menschen leben. Änderungen des hydrologischen Kreislaufs haben daher unmittelbare Auswirkungen auf die Bevölkerung. Wasser wird je nach Region der Erde und je nach Menge als Bedrohung (z.B. Überschwemmungen) oder Glück (z.B. Niederschläge in Trockengebieten) erfahren.

Der Wasserdampf ist außerdem ein wichtiges Treibhausgas. Langwellige Wärmestrahlung von der Erdoberfläche wird durch Wasserdampf absorbiert und wird teilweise zur Erdoberfläche zurückgestrahlt. Der natürliche Treibhauseffekt hat lebenswichtige Bedeutung: Ohne Treibhausgase wie Wasserdampf und Kohlendioxid wäre die Lufttemperatur bei durchschnittlich -18° C statt bei +15° C. Durch Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre aufgrund der Verbrennung fossiler Energieträger und Intersivierung der Landwirtschaft verstärkt sich der Treibhauseffekt.

Inlandeise und Gletscher bilden die am langsamsten veränderliche Klimakomponente, die aus Wasser besteht. Für sehr lange Zeiträume trägt das Eis zu den extremen Klimaschwankungen zwischen Eis- und Warmzeiten bei. Da die Menge des Wassers im System Erde konstant ist (es geht kein Wasser in den Weltraum verloren), beeinflußt die Wassermenge, die in den Inlandeisen und Gletschern gebunden ist, den globalen Meeresspiegel, denn die Atmosphäre ist für die Wasserspeicherung unbedeutend (Figur 1). So war z.B. während der letzen Vereisung vor 20000 Jahren so viel Wasser auf den Inlandeisen Nord Amerikas und Nord Europas in Form von Eis gebunden, daß der Meeresspiegel um etwa 120 m tiefer als heute lag. Die Beringstraße und der Englische Kanal fielen trocken.

Der Ozean stellt das mit Abstand größte Reservoir von Wasser im Klimasystem dar. Dieses Wasser ist wegen des hohen Salzgehaltes von ca. 3% für den Trinkwassergebrauch nicht verfügbar. Die Rolle des Ozeans ist ganz wesentlich für das Klima. Das Strömungssystem des Ozeans transportiert enorme Mengen von Wärme (ca. 1,5 x 10^15 Watt) von äquatorialen in mittlere und hohe Breiten, und der Ozean sorgt damit für ein relativ mildes Klima in unseren Breiten. Der atlantische Ozean funktioniert dabei wie eine Wärmepumpe: Das in den oberen 500-1000 m transportierte warme Wasser kühlt sich in mittleren und hohen Breiten an der Oberfläche ab und fließt in der Tiefe wieder zurück. Dieses Transportsystem wird deshalb durch den Metapher ozeanisches Förderband beschrieben. Das Förderband ist in Figur 3 dargestellt. Modellsimulationen des Klimas legen nahe, daß die Stärke der ozeanischen Wärmepumpe unter anderem vom hydrologischen Zyklus abhängt. Befunde aus der Vergangenheit (wie am Ende der letzen Eiszeit) zeigen, daß die Wärmepumpe durch ein Abschmelzen der Inlandeisschilde und die extrem hohe Abflußraten ins Stocken geraten ist, was das Klima nachhaltig beeinflußt hat. Dieses Beispiel macht deutlich, wie kompliziert die Klimakomponenten über das Medium Wasser gekoppelt sind.

Seit Beginn des Industriezeitalters vor ca. 120 Jahren haben die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre drastisch zugenommen. Parallel dazu beobachtet man einen Trend in der global gemittelten bodennahen Temperatur (Figur 4). Modellstudien und vorliegende Beobachtungen legen die Schlußfolgerung nahe, daß der Wasserkreislauf intensiviert wird. Die Niederschlagszunahme wird nach den Modellbefunden jedoch regional äußerst unterschiedlich sein. Der Verstärkungseffekt wird vorwiegend in Gebieten der Tropen und der höheren Breiten erwartet, in denen ohnehin schon hohen Niederschläge beobachtet werden. In anderen Gebieten, so in einigen subtropischen Trockengebieten, wird der Niederschlag eher abnehmen, wodurch sich die Gegensätze zwischen trockenen und feuchten Klimaregionen verstärken. In weiten Teilen Europas kann mehr Niederschlag im Winter und weniger Niederschlag im Sommer erwartet werden. Die Häufigkeit von Starkniederschlägen soll ebenso wie die von Trockentagen in Europa zunehmen, was gleichzeitig eine Tendenz zur Zunahme von Extremereignissen bedeutet. Globale Klimaveränderungen können über die Niederschlags- und Verdunstungsschwankungen das Wasserdargebot wesentlich beeinflussen. Jedoch lassen sich die Auswirkungen für bestimmte Regionen bis jetzt nicht ausreichend genau abschätzen. In einigen Gebieten der Erde leiden die Menschen bereits heute unter akuter Wasserknappheit, die sich wahrscheinlich durch einen Klimawandel in vielen Gebieten verschärfen wird. Mehr als 20% der Weltbevölkerung haben schon heute keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dadurch sind Nahrungsmittelversorgung und Gesundheit gefährdet, was Krisen und Massenfluchten zur Folge haben kann. Politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Anstrengungen sind erforderlich, um dieses zu verhindern.

Figur 1: Die Mengen Wassers, die in den Ozeanen, der Atmosphäre und an Land gespeichert sind, sind im Diagram in Kubikmetern angegeben. Weiterhin zeigen die Pfeile die jährlich gemittelten Austauschraten zwischen den Reservoiren an (Kubikmeter pro Jahr). P bezeichnet Niederschlag, E Verdunstung und R den Abfluß. Quelle: Oort und Peixoto, 1983.

Figur 2: Schematische Darstellung des hydrologischen Kreislaufs. Diese Darstellung zeigt den Feuchtetransport Q, der Wasserdampf aus Nettoverdunstungsregionen (E) in Nettoniederschlagsregionen (P) transportiert. Die Klimakomponenten, die Wasser enthalten, sind hier mit A (Atmosphäre), O (Ozeane), L (Land) und C (Cyrosphäre=Eis) bezeichnet. Quelle: Oort und Peixoto, 1983.

Figur 3: Das große maritime Förderband mit kalter Tiefenströmung und warmer Oberflächenströmung. Typische Umwältzraten dieser Strömung liegen bei 20.000.000 Kubikmetern pro Sekunde, zum Vergleich: Der Mississippi transportiert noch nicht einmal 1/100 dieser Menge. Die große Bedeutung für das Klima besteht vor allem im Wärmetransport in kalte Regionen. Zudem wird Kohlendioxid im Ozean aufgenommen und in einem langsamen Prozeß in größere Meerestiefen befördert. Bild nach Broecker, 1984.

Figur 4: Entwicklung der mittleren globalen bodennahen Lufttemperatur seit 1850 in Form von Abweichungen vom Mittelwert 1961-1990. Die schwarze Linie zeigt 5 jährig gemittelte Werte an. Die Darstellung zeigt, daß dem Erwärmungstrend noch Schwingungen langjähriger Perioden überlagert sind. Diese Schwingungen sind bislang noch recht unverstanden. Quelle: IPCC, 1996.