Globale räumlich-zeitliche Klimavariabilität im Holozän (GHOST Global Holocene Spatial and Temporal Climate Variability): Verbindung mariner Paläotemperatur-Kurven mit dreidimensionaler, gekoppelter Atmosphäre-Ozean Modellierung


 

Antragsteller
 

Dr. habil. Ralph Schneider, Dr. Jürgen Pätzold, Prof. Dr. Gerold Wefer FB 5 --- Geowissenschaften, Allgemeine Geologie & Meeresgeologie, Universität Bremen, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, Tel.: 0421/218-3579, Fax: 0421/218-3116; Marine Paläotemperatur-Zeitserien, Paläodaten-Erfassung, Harmonisierung, und Archivierung (GeoB-D).
 

Dr. Gerrit Lohmann, Prof. Dr. Klaus Herterich, FB 5 --- Geowissenschaften, Paläomodellierung, Universität Bremen, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, Tel.: 0421/218-2835, Fax: 0421/218-7040; Visualisierung von Modellergebnissen, multivariate statistische Analyse, Daten-Modell-Vergleich (GeoB-S).
 

Dr. habil. Ulrich Cubasch, Stephan Lorenz Max-Planck-Institute for Meteorologie, Modelle und Daten, Bundesstrasse 55, 20146 Hamburg, Tel.: 040/41173-376, Fax: 040/441751; Gekoppelte Atmosphäre-Ozean Modelierung (MPI-M)
 

Kurzbeschreibung
 

Das Projekt ist ein Betrag zur Untersuchung des Klimas des Holozäns. Es basiert auf zwei Standbeinen: Der Heranziehung von weltweit verfügbaren, unbearbeiteten, aktualisierten und neu zusammengestellten marinen multiproxy Temperaturrekonstruktionen einerseits und der Verwendung von gekoppelten Zirkulationsmodellen für Atmosphäre und Ozean andererseits. Das Modell arbeitet mit relativ geringer Auflösung und Rechenzeit und ist für transiente Simulationen des Paläoklimas angepaßt. Für eine möglichst große globale Abdeckung der Zeitserien von Klimaproxies werden besonders solche Sedimentdaten herangezogen, die eine geringe aber dennoch höchstmögliche zeitliche Auflösung im Bereich von 50 bis 200 Jahren besitzen. Sowohl Datenrekonstruktion als auch gekoppelte Klimamodellierung erzeugen dreidimensionale Datensätze, zwei räumliche Dimensionen auf der Erdoberfläche, sowie die Zeit als dritte Dimension. Raumzeitliche Muster sollen im Rahmen des Projektes untersucht werden. Die eingehende Analyse der der rekonstruierten wie der Modelldaten soll einerseits das Verständnis für Klimaänderungen verbessern, die in Proxydaten gefunden werden und andererseits eine Validierung der Klimavariabilität im Modell ermöglichen. Die Musteranalyse wird Einblicke in die Mechanismen geben, die zur Heterogenität von Erwärmung und Abkühlung im Holozän beitragen. Die Weiterführung der Klimasimulationen des Holozäns in die Zukunft der nächsten Jahrhunderte wird eine bessere Abschätzung der zukünftigen Klimaänderung zulassen, indem ähnlichkeiten und Unterschiede in den Variabilitätsmustern vom natürlichem und anthropogen gestörtem Klima bestimmt werden können.
 

1. Wissenschaftliche Fragestellung
 

In der Diskussion über die Frage, wie zukünftige Umwelt-Bedingungen die Menschheit beeinflussen, ergibt sich das ernste Problem, ob die Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen das Klima der Erde bereits signifikant erwärmt haben. Um diese Frage angehen zu können sind detaillierte Kenntnisse der Amplituden und Frequenzen der natürlichen Variabilität von Temperatur und temperaturabhängigen Umweltgrößen im Ozean, über den Kontinenten und in der Kryosphäre notwendig. Ein geeigneter Weg dorthin wäre die Untersuchung historischer Zeitserien direkter Temperaturmessungen oder der Dokumentation solcher Umweltbeobachtungen. Unglücklicherweise liegen Aufzeichnungen von Temperaturmessungen, die eine Aussage über globale Klimaänderungen erlauben würden, nur für eine zu junge Vergangenheit vor. Zudem fallen sie in die Zeit, in der bereits ein deutlicher Einfluss der menschlichen Aktivitäten auf die natürlichen Bedingungen stattfand.
 

Informationen über weiter zurück liegende Zeiten kann man entweder aus Proxies gewinnen, in denen vergangene Klimazustände und Umgebungsbedingungen verborgen vorliegen, oder durch Klimasimulationen mit Hilfe von Klimamodellen bei Vorgabe der änderungen von externen Antrieben. Diese Modelle sind in der Lage, ein breites Spektrum von Variablen für die ganze Welt zu simulieren (z. B. Latif und Barnett, 1996). Andererseits bedürfen sie noch einiger Überarbeitung in Bezug auf ihre Verlässlichkeit auf langen Zeitskalen. Die Daten des Paläoklimas sind ein hervorragender Test für diese Modelle, weil sie Informationen über Klimavariationen enthalten, die in der Vergangenheit tatsächlich stattgefunden haben. Die Rekonstruktion von längeren Zeitserien der Temperatur mit adäquaten Methoden der Geochemie oder der Paläobiologie würde eine quantitative Abschätzung von Temperaturänderungen erlauben. Die Informationen über das Paläoklima sind aber nicht für alle notwendigen Zeiten und geographischen Regionen verfügbar. Die entgegengesetzten Charakteristika von Klima-Proxies und Klimamodellen haben uns veranlasst, ein Projekt vorzuschlagen, das beide Ansätze kombiniert. Mit Hilfe der Proxydaten sollen die Klimamodelle validiert werden. Auf der anderen Seite sollen die Ergebnisse der Modellierung bei der dynamisch konsistenten Interpretation der Paläodaten helfen. Um den anthropogenen Einfluss auf Klimaänderungen bestimmen zu können, muss die natürliche Variabilität des Klimas zumindest in groben Zügen bekannt sein. Alle Arbeiten, die sich zur Zeit mit dem Aufspüren des Signals von Klimaänderungen beschäftigen, benutzen eine modellbasierte Abschätzung der natürlichen Klimavariabilität (z. B. Hegerl et al., 1997; Barnett et al., 1999). Dies ist eine wichtige, aber nicht ausreichende Abschätzung und ist möglicherweise der stärkste Kritikpunkt an solchen Studien.
 

Die obigen Ausführungen zeigen die Notwendigkeit für ein Verständnis der natürlichen Klimavariabilität und assoziierten Mechanismen auf paläoklimatischen Zeitskalen wie des gesamten Holozäns. Wir haben unseren Projektvorschlag entwickelt, um dafür einen Beitrag bestehend aus Modell und marinen Paläodaten zu liefern.
 

Die Ziel der Paläodaten-Rekonstruktion liegt in der Erstellung eines Satzes hochauflösender, global verteilter Temperaturaufzeichnungen, vom Beginn des Holozänen Warmklimas mit einem Höchststand des Meeresniveaus bis zu heutigen Bedingungen (Zeitserien von vor 7000 Jahren bis heute).
 

Die Serie von Kernpositionen soll alle Orte mit wichtigen Oberflächenströmungen beeinhalten, um die Sensitivität des Klimas testen zu können. Die rekonstruierten Zeitreihen von marinen Temperaturen sollen eine zeitliche Auflösung über dem gesamten angestrebten Zeitabschnitt des Holozäns von mindestens 100 bis 200 Jahren besitzen. Die Klimageschichte des Holozäns und die Temperaturänderungen sollen insbesondere in solchen Regionen bestimmt werden, die als besonders sensitiv in Hinblick auf Holozäne Klimaänderungen angesehen werden.
 

Folgende Fragen sollen im Projekt angegangen werden:
 

1. Wie stabil oder instabil war die Temperatur der Ozeandeckschicht während des Holozäns?
 

2. Wann waren die wärmsten Bedingungen in den verschiedenen Strömungssystemen des Ozeans erreicht?
 

3. Gibt es eine kohärente Vorstellung von der Rückkehr einer Eiszeit oder gibt es gegensätzliche Trends von Erwärmung und Abkühlung gleichzeitig an unterschiedlichen Orten?
 

Der Vergleich von Datenrekonstruktionen und Modellergebnissen wird in diesem Projekt auf statistischer Analyse beruhen. Paläoklimatologen führen solche Vergleiche normalerweise auf der Basis von Zeitscheiben oder Zeitreihen durch. Für den Zeitscheibenansatz wird nur ein kleiner Teil der verfügbaren Daten benutzt. Außerdem wird dabei vorausgesetzt, dass sich das Klimasystem in einem Gleichgewicht befand. Weiterhin kann man keine Erkenntnisse über Klimawechsel erhalten. Andererseits kann der lokale Vergleich einzelner Zeitreihen mit transienten Modelläufen am gleichen Ort meist keine Klarheit darüber liefern, ob die in Daten und Modellergebnissen beobachtete Variabilität auf den gleichen Mechanismen beruht.
 


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