DEKLIM-Forschung aktuell:

Das Klima aus der Luftdruckschaukel


Der Klimawandel, den der Mensch durch den Ausstoß von Treibhausgasen in den letzten 100 Jahren in Gang gesetzt hat, zieht ähnliche regionale Auswirkungen nach sich wie Veränderungen, die in der Erdvergangenheit infolge einer veränderten Umlaufbahn der Erde um die Sonne ausgelöst wurden. Dies zeigen Forschungsergebnisse, die deutsche und jordanische Klimawissenschaftler um Thomas Felis und Gerrit Lohmann von der Universität Bremen jetzt in der Zeitschrift „Nature“ (Ausgabe vom 13. Mai 2004) veröffentlicht haben. Die wissenschaftlichen Arbeiten wurde im Rahmen des Deutschen Klimaforschungsprogramm (DEKLIM) durch das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) gefördert.


Die Forscher hatten Proben aus Korallenriffen im Golf von Aqaba (Rotes Meer) ausgewertet, die aus erdgeschichtlichen Perioden vor 122.000 Jahren (der letzten Zwischenwarmzeit), vor 3.000 Jahren (spätes Holozän) sowie aus den letzten 250 Jahren stammen. Mit Hilfe dieser so genannten „Proxy-Daten“ (Stellvertreter-Daten) war es möglich, jahreszeitliche Temperaturschwankungen in dieser Region über lange Zeiträume nachzuvollziehen. Dabei zeigte sich, dass in der damaligen Warmzeit die Winter im Nahen Osten zunehmend kälter, die Sommer dagegen wärmer waren.

Das Klima jener Region - ebenso wie auf der Nordhalbkugel zwischen Europa und Sibirien - wird von der so genannten Nordatlantischen Oszillation (NAO) gesteuert. Darunter versteht man Schwankungen in den Druckunterschieden zwischen Tief- und Hochdruckgebieten - eine Art „Luftdruck-Schaukel“ - über dem Nordatlantik. Aus Proxy-Daten, die aus mitteleuropäischen Regionen der damaligen Erd-Periode stammen, weiß man außerdem, dass die Verhältnisse dort im Vergleich zum Nahen Osten genau umgekehrt lagen: Die Winter waren milder.

Die Forscher simulierten dann diese klimatischen Vorgänge mit Hilfe eines hochkomplexen Klima-Rechenmodells (ECHO-G, ein „gekoppeltes Atmosphären-Ozean-Zirkulationsmodell“), welches auch zur Vorhersage von zukünftigen Klimaschwankungen eingesetzt wird. Dabei zeigte sich, dass das Rechenmodell in der Lage ist, die Ergebnisse der Proxy-Daten aus den Korallenablagerungen gut nachzuvollziehen. Die Modellrechnungen weisen darüber hinaus nach, dass verhältnismäßig große Druckunterschiede über dem Nordatlantik und die daraus resultierenden starken Westwinde im Nahen Osten zu kälteren Wintern führen, während sie in Mitteleuropa mildere Winter auslösen. Ursache der veränderten NAO sind Schwankungen der Erdbahn um die Sonne (nach dem so genannten Milankovic-Zyklus) sowie - daraus resultierend - der Sonneneinstrahlung. Die Forscher konnten mit Hilfe ihres Klimamodells weiterhin zeigen, dass Veränderungen der NAO von vergleichbarer Größenordung sind wie die durch den Menschen verursachten Änderungen der Luftdruckschaukel im Nordatlantik. Diese Tendenz zu milderen Wintern in Mitteleuropa wird voraussichtlich durch den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in den letzten 100 Jahren bestimmt. Erstmalig konnten somit qualitativ hochwertige Proxy-Daten erfolgreich zum Testen eines Klimamodells eingesetzt werden.


Beteiligte Institute:

• DFG Forschungszentrum Ozeanränder, Universität Bremen, 28359 Bremen

• Fachbereich Geowissenschaften, Universität Bremen, 28359 Bremen

• Max-Planck-Institut für Meteorologie, Modelle & Daten, 20146 Hamburg

• Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 69120 Heidelberg

• Marine Science Station, University of Jordan & Yarmouk University, 77110 Aqaba, Jordanien