DFG-Forschungszentrum Ozeanränder

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Dienstag, 29.7.2003



P R E S S E M I T T E I L U N G


SPERRFRIST: 30.7.2003, 20 Uhr!!


        1. Klimakick aus dem Südpolarmeer

"Nature"-Artikel beschreibt Schwungrad für den Golfstrom


Das schmelzende Meereis im Südpolarmeer treibt das Klimageschehen auf der Nordhalbkugel an. Dies gilt vor allem für den Übergang von Kalt- zu Warmzeiten. Das ist die zentrale Erkenntnis eines Artikels, den die Fachzeitschrift "Nature" am kommenden Donnerstag, den 31.7.2003, veröffentlicht. Mit Hilfe eines Rechner gestützten globalen Ozeanmodells weisen der Bremer Klimaforscher Dr. Gerrit Lohmann und sein Hamburger Kollege Gregor Knorr erstmals nach, warum das allmähliche Abschmelzen der südpolaren Meereisdecke am Ende einer Kaltzeit buchstäblich weitreichende Folgen hat: Der Rückzug des Meereises verstärkt jene Meeresströmungen, die warmes und recht salziges Wasser bis in die hohen nördliche Breiten des Atlantiks transportieren. Dies führt dazu, dass es beim Golfstrom Klick macht. Schlagartig springt die Warmepumpe an und läutet das Ende der Eiszeit auch auf der Nordhalbkugel ein.


So viel war bislang bekannt: In der Schlußphase der letzten Eiszeit erwärmt sich zuerst die Südhemisphäre. Als Folge schmilzt das antarktische Meereis. Mindestens ein Jahrtausend später - das ergaben Untersuchungen an grönländischen Eiskernen - erwärmt sich auch der hohe Norden. Auf dem Nordatlantik zieht sich das Meereis zurück; in Skandinavien, Grönland und Nordamerika schmelzen die großen Inlandeise.


Im "Nature"-Artikel belegt das Forscherduo nun erstmals, wie der Klimaumschwung durch das Zusammenspiel zwischen Süd- und Nordatlantik am Ende der letzten Kaltzeit vor ca. 15.000 Jahren in Gang kommt. Dazu fütterten sie ihr Ozean-Computermodell mit Klima-daten, die aus Untersuchungen von Meeresablagerungen bekannt waren. Die Analysen ergaben folgendes Szenario:


Das abschmelzende Meereis im Südpolarmeer bewirkt zweierlei: Zum einen ändern sich die Dichteverhältnisse der Wassermassen im Südozean. Dadurch wird eine Meeresströmung in Gang gesetzt, die entlang der südamerikanischen Küste nordwärts in die Karibik fließt und beim Passieren äquatorialer Breiten ordentlich Wärme "auftankt". Zum zweiten verstärkt sich der warme und salzhaltige Agulhas-Strom; eine Meeresströmung, die aus dem Indischen Ozean um das Kap der Guten Hoffnung in den Südatlantik und von dort weiter Richtung Brasilien/Karibik strömt. Dieser Transportweg war während der Kalt­zeit durch die vorgerückten antarktischen Meereismassen stark blockiert. Schließlich erreichen Wärme- und Salzfrachten der beiden Meeresströmungen den hohen Norden.


Dort, im Nordatlantik, ist nach gut 1.000 Jahren ein kritischer Punkt erreicht: Das jetzt salzigere Nordatlantikwasser wird, weil es die in den Tropen gespeicherte Wärme an die Atmosphäre abgibt und dadurch abkühlt, so schwer, dass es in der Grönlandsee wie ein Was­serfall in die Tiefe rauscht und gen Süden abfließt. Im Gegenzug wird an der Ober­fläche verstärkt warmes Wasser aus dem Süden "angesaugt": Die Wärmepumpe Golfstrom beschert dem hohen Norden den Anbruch der Warmzeit.


"Unsere Berechnungen zeigen, dass der Golfstrom vor ca. 15.000 Jahren quasi auf einem Schlag wieder ansprang. Das führte dazu, dass die Temperaturen im nordatlantischen Raum um mehr als 6 Grad Celsius anstiegen", sagt Dr. Gerrit Lohmann. "Dadurch schmolzen zwar Teile der Inlandeise, deren Schmelzwasser ins Meer gelangten." Dennoch: die jetzt vorgestellten Modellrechnungen zeigen, dass das spezifisch leichte, weil süße Schmelzwasser die Umwälzpumpe im Nordatlantik - die nur mit "schwerem", salzigem Wasser funktioniert - nicht wesentlich beeinträchtigte. - "Viele Klimaforscher befassen sich derzeit mit der Frage, ob der Golfstrom als Wärmepumpe für unsere Breiten aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels und des dadurch verstärkten "süßen" Schmelzwassereintrags zukünftig ins Stottern gerät", bilanziert Dr. Lohmann. "Es ist ebenso wichtig zu untersuchen, wo das Schwungrad des ozeanischen Förderbandes sitzt und wie es funktioniert". Und da spielt das Südpolarmeer eine Schlüsselrolle.


Die jetzt in "Nature" veröffentlichte Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprogramms DEKLIM. Es wurde vom Bundesforschungsministerium aufgelegt, um Wissenslücken in der Klimaforschung zu schließen und zugleich den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.



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Kirsten Achenbach

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