Frage: Warum gibt es Eiszeiten ? Woher weiß man, wie die Temperatur auf der Erde vor vielen tausend Jahren war ?
Der Wechsel von Kaltzeiten mit ausgedehnten Vereisungen (Glaziale) und Warmzeiten mit Gletscherrückgang (Interglaziale) ist für die geologische Epoche des Quatärs kennzeichnend. Die Zeitspanne des Quatärs umfaßt die letzten 2 Millionen Jahre und wird unterteilt in das Pleistozän und das Holozän . Verbunden mit diesen Klimaschwankungen ist der Auf- und Abbau ausgedehnter Eisschilde auf den Kontinenten Nordamerikas und Nordeuropas. Die Lage von ehemaligen Gletschern und Inlandeisen wird aus dem Vorkommen von Moränen und Gletscherschliffen erschlossen. So sind etliche Landstriche Norddeutschlands durch die Endmoränen der nordeuropäischen Eisschilde geprägt worden. Die Warmzeiten ähneln in Klima und Vegetation der Gegenwart (siehe Temperaturveränderungen in den letzten 150000 Jahren ). Während der letzen Eiszeit vor 20.000 Jahren (genannt Warm-, Weichsel-, oder Wisconsin-Eiszeit) war die Temperatur in Europa ca. 10-20 Grad niedriger als heute ( CLIMAP-Reconstruktion, 1976 ). Dieses kann aus Proxydaten (indirekte Daten: Vegetation, Messungen von Sauerstoffisotopen in Eisbohrkernen, Kalkschalen von Diatomenen und Foraminiferen, Pflanzenpollen usw.) erschlossen werden. Die Glazial-Interglazial Schwankungen werden mit der Veränderung der Sonneneinstrahlung, Veränderungen in Treibhausgaskonzentrationen (wie z.B. Kohlendioxid), sowie internen Wechselwirkungen im Klimasystem in Verbindung gebracht. Obwohl es keine allgemein anerkannte Theorie für das Auftreten von Eiszeiten gibt, gilt die Hypothese, daß Schwankungen der Erdbahn für Glazial-Interglazial Zyklen verantwortlich sind, als die am besten von Daten gestützte. Milutin Milankovitch (1941) stellte diese Hypothese als erster auf eine mathematische Grundlage. Diese Theorie beruht auf der Variation dreier Erdumlaufbahnparamter:
- Exzentrizität. Die Bahn der Erde um die Sonne ist nicht kreisrund. Die Abweichung der Bahnellipse vom Kreis wird durch die Exzentrizität beschrieben. Die wichtigsten Perioden dieser Schwankungen liegen bei etwa 100.000 und 400.000 Jahren. Die Exzentrizität schwankt aufgrund der Massenanziehung der anderen Planeten, vorzugsweise der beiden größten, Jupiter und Saturn.
- Nutation, Obliquität. Die Neigung der Erdachse gegenüber der Ebene, die durch die Erdumlaufbahn beschrieben wird, hat eine dominante Periode bei 41.000 Jahren. Dieser Winkel (delta in der Abbildung) beträgt zur Zeit 23,5 Grad und variierte etwa zwischen 22 und 24,5 Grad im Quatär.
- Präzession. Der Mond wirkt auf den Kreisel Erde mit einem Drehmoment, das bemüht ist, die Kreiselachse der Erde senkrecht zur Bahnebene des Mondes aufzurichten. Die Erde vollführt eine Präzession der Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien) mit einer charakteristischen Periode von 21.000 Jahren. Der Winkel omega in der Abbildung gibt an, ob ein Sommer nahe dem Perihel P (Sonnennähe) oder nahe dem Aphel A (Sonnenferne) eintritt.
Bahnparameter der Erde: Die Exzentrizität wird als das Verhältnis von MS zu MP definiert, wobei M der Mittelpunkt der Ellipse und S ihr Brennpunkt ist, an dem sich die Sonne befindet. Der Winkel delta gibt die Schiefe der Rotationsachse an (Nutation), der Winkel omgea bestimmt, ob ein Sommer nahe dem Perihel P (Sonnennähe) oder nahe dem Aphel A (Sonnenferne) eintritt. (Quelle: Herterich, 1990).
Milankovitchs astronomische Theorie (Berger, 1978) erlaubt die Berechnung der einfallenden solaren Strahlung (siehe Juni-Einstrahlung bei 65 Nord) . In der Tat lassen sich diese Perioden z.B. in Sauerstoffisotopenverhältnissen in Planktonschalen, die in den Sedimenten der Tiefsee abgelagert wurden, wiederfinden (Hays et al., 1976). Die Forschung der letzen Jahre hat gezeigt, daß sich die Größenordnung der beobachteten Klimavariationen von Eis- und Warmzeiten nur aufgrund von Rückkoplungen im System Erde erklären lassen können. Wichtig erscheinen u.a. die ozeanische Tiefenzirkulation, die Vegetation, der Kohlenstoffkreislauf, die Schneekomponente, die Inlandeischilde und der hydrologische Zyklus der atmosphärischen Zirkulation.
Im heutigen Afrika, Australien, Südamerika und Indien findet man Hinweise auf Vergletscherung und größere Eisschilde vor ca. 250 Millionen Jahren, also einer ganz anderen geologischen Zeitskala , als die Vereisungen im Quatär. Diese glazialen Eigenschaften lassen sich teilweise mit der Kontinentalverschiebung erklären: Die oben genannten Gebiete befanden sich nicht weit weg vom Südpol und grenzten and die Antarktis an. Dort herrschten relativ kalte Bedingungen, die die Existenz der Eisschilde möglich machte. Eisschilde sind keine Dauereinrichtung des Klimas auf der Erde, sondern über die geologische Zeit betrachtet relativ selten.
Literatur:
- Berger, A. L., Long-term variations of daily insolation and Quaternary climatic changes, J. Atm. Sci., 35, 2362-2367, 1978.
- CLIMAP Project Members, The surface of the ice age Earth, Science, 191, 1131-1137, 1976.
- Crowley, T. J., and G. R. North, Paleoclimatology, Oxford University Press, New York, 339 pp., 1991.
- Hays, J. D., J. Imbrie, and N. J. Shackelton, Variations in the Earth's Orbit: Pacemaker of the Ice Ages, Science, 194, 1121-1132, 1976.
- Herterich, K., 1990, Modellierung eiszeitlicher Klimaschwankungen. Habilitationsschrift Fachbereich Geowissenschaften, Universität Hamburg.
- Milankovitch, M., Kanon der Erdbestrahlung, Royal Serbian Acad. Spec. Publ. 132, Sect. Math. Nat. Sci., 33, 1941.
Einige links:
Geologische Zeitmaschiene (Berkley)
Atlas für Paläovegetation
Tektonische Rekonstruktionen